Fürstliches Fasten und höfische Eiersuche.
Von Ostern bis Pfingsten mit König Ludwig II. und Kaiserin Elisabeth

 

1

Es kehrt der junge Frühling wieder
Und schmückt den Baum mit frischem Grün
Und lehrt den Vögeln neue Lieder
Und macht die Blumen schöner blüh´n ...

So dichtet die junge künftige Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi, im Frühjahr 1854. Der feierliche Ostersonntag liegt gerade vier Tage zurück, als das 16-jährige Mädchen, Braut des Kaisers Franz Joseph von Österreich, am 20. April ihre Heimat am Starnberger See und in München verlässt. Nach einer Messe in der herzoglichen Hauskapelle nimmt sie – gerührt von tosenden Jubelrufen, das Gesicht tränenüberströmt – Abschied Richtung Wien. Die Erwartungen an sie sind klar: Es geht – als eine der schönsten Frauen Europas – um gebührende Repräsentation an der Seite des mächtigen Kaisers. Und: um baldige Reproduktion, also Fortpflanzung, das heißt die Geburt eines Nachfolgers für den Thron des Habsburger Weltreichs.

Frühlingsgefühle und vor allem Fruchtbarkeit – das sind Themen, die in der Zeit um Ostern allgegenwärtig sind. Lange wurde behauptet – nicht zuletzt von den Märchenbrüdern Grimm – die Wurzeln des Wortes »Ostern« leiteten sich von der germanischen Ostara ab, Göttin der Morgenröte, des Frühlings und der Fruchtbarkeit, Braut des jungen Maigrafen, der zu Ehren die Germanen zu vorchristlicher Zeit ekstatische Feste veranstaltet haben sollen. Nicht umsonst seien das Ei und der sich munter fortpflanzende Hase Symbole des Osterfestes. Gefeiert wird es am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond. Die Tage sind nun länger als die Nächte und der Frühling hat sich gegenüber dem Winter durchgesetzt.

Die Christen gaben Ostern schließlich noch eine andere Bedeutung: Für sie ist es das wichtigste Kirchenfest des Jahres, wichtiger als Weihnachten! Da wurde Jesus Christus schlicht in einer Krippe in Bethlehem geboren, das weiß nahezu jeder. Zur Osterzeit aber, am Karfreitag, da starb er, sich als Erlöser für die Menschheit am Kreuz opfernd – und noch viel mehr: am dritten Tage, am Sonntag – und das mache ihm einer nach! – stand er wundersam von den Toten wieder auf!

Für die Christen erschließt sich der Name »Ostern« demnach aus der Himmelsrichtung Osten. Denn von dort, wo die Sonne aufgeht, kehrte der Auferstandene wieder auf Erden zurück. Aus diesem Grund sind auch Kirchen in der Regel nach Osten ausgerichtet. Ostern ist also nach Tagen der Trauer schließlich das fröhlichste Fest der Christenheit und die in der Osternacht geweihte Kerze mit ihrer hellen Flamme Sinnbild für das Licht der Hoffnung.

Nach Osten, Richtung Wien, führt 1854 auch der Weg der Kaiserin, zunächst zu endlosen Hochzeitsfeierlichkeiten. Sehnsucht und Rastlosigkeit sollen fortan ihr Leben bestimmen und bald kehrt sie jedes Jahr rund um das Ende der offiziell 50 Tage andauernden Osterzeit, also rund um Pfingsten, für die Sommerfrische zu ihrer Familie an den heimatlichen Starnberger See zurück. Im Jahr 1886 spielt sich dabei eine Tragödie ab. Am 13. Juni, direkt am Pfingstsonntag, wird ihr Großcousin, König Ludwig II., tot in den Wassern nahe dem Ufer von Berg aufgefunden ...

Doch wie begingen Prinzen und Prinzessinnen für gewöhnlich die österliche Karwoche und die Zeit bis Pfingsten, wo machte die Kaiserin ihren Osterspaziergang, wie lauteten ihre Fastenrezepte, und wie baute Ludwig sein Heiliges Grab? Suchten auch sie Eier im Schlosspark und wen schlug Ludwig an Georgi zum Ritter? Das alles erfährst du auf unserem historischen Ausflug mit »König und Kaiserin«. Wir wünschen viel Freude und gute Unterhaltung!

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Fasten mit Sisi

Diäten und Kuren durchs ganze Jahr

»Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler.« Mit dieser Bibelstelle wird am Aschermittwoch nach dem fröhlichen Fasching die Fastenzeit eingeläutet: Fleisch Lebewohl!, heißt es dann, oder für den Lateiner: Carne vale – Karneval! 40 Tage bis Ostersonntag gilt es nun, Diät zu halten, sich zu bescheiden, zu verzichten, und so dem Teufel der Maßlosigkeit und Schlemmerei zu widerstehen. Gedultet sind nur Fisch und Fastenspeisen wie die bayerischen Brezn, die zum Beten gekreuzte Arme symbolisieren.
40 Tage lang! – Eine magische Zahl, denn so lange dauerte auch die biblische Sintflut, der Aufenthalt der Israeliten in der Wüste nach dem Auszug aus Ägypten oder die Zeitspanne, die Mose auf dem Berg Sinai verbrachte.

Manchem mögen diese Wochen des Fastens lang erscheinen – nicht jedoch der Kaiserin.
Sisi fastet durch´s ganze Jahr! Wenn auch nicht unbedingt Fleisch. Im Gegenteil:

Sie ist eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Die Bewunderung gilt nicht zuletzt ihrer schlanken Figur, denn obwohl 1,72 m groß, bringt sie nur knapp 50 kg auf die Waage. Eigentlich krankhaft untergewichtig wird ihr zudem die Taille mit einem Korsett auf nur 50 cm geschnürt. Dass es ihr dabei Rippen und Magen zusammenschiebt und so gar kein Hungergefühl aufkommen kann, ist naheliegend. Zusätzlich unterzieht sich Sisi manch eiserner Diät. Es gibt Tage, an denen sie auf Reisen in den Süden nur sechs Orangen isst oder sich fast ausschließlich von Milch ernährt – diese am liebsten frisch von Kuh oder Ziege, sodass der Kaiser erstklassige, geimpfte und ärztlich geprüfte Kühe bereitstellen lässt. Die eigenartigsten Schlankheitsrezepte bereitet allerdings Elisabeths Geheimköchin Theresia Teufel zu. Dazu gehört zum Beispiel Fleischsaft, der mit einer silbernen sogenannten Ochsenpresse aus rohem Kalbfleisch gewonnen, abgekocht und in Flaschen gefüllt wird.

Sisi entwickelt eine wahrhafte Schlankheitshysterie und ist bald zart wie eine Elfe oder besser »Feenkönigin«, wie sie sich selbst bezeichnet. Bei jedem Gramm zu viel auf der Waage spricht sie von »galoppierender Fettsucht«, fürchtet dick zu werden »wie ein Faß«.

Doch gibt es auch Zeiten, in denen Sisi mal nicht hungert. Dann nimmt sie am liebsten süßes Gebäck und Mehlspeisen zu sich – womöglich gezuckerte Osterzöpfe oder gepuderte Biskuitlämmer? Umfangreiche Konditoren-Rechnungen von Demel in Wien oder Gérbaud in Budapest belegen Sisis große Begeisterung für Süßes und Eis.

Im Frühling, zwischen März und Mai, wenn die ersten wilden Veilchen blühen, wünscht sie sich ein Sorbet aus den violetten Blüten, die Lieblingsfarbe der Kaiserin, die selbst ihre Briefe in malvenfarbener Tinte verfasst.

Spezielle Fastenmahlzeiten sind nach sündigem Genuss wiederum mit Salz gewürztes rohes Eiweiß von jeweils fünf bis sechs Eiern, besagter Saft aus rohem Fleisch oder, wenn sie an den geliebten Reitjagden teilnimmt, eine kräftigende Suppe aus Rindfleisch, Huhn, Reh und Rebhuhn. Ohnehin hält sie sich, wenn sie passioniert ihren Reitsport treibt, eng an den Ernährungsplan englischer Jockeys, die nahezu nur rohes Beefsteak essen, und führt als Proviant während der Ausritte immer eine mit Fleisch gefüllte Silberbüchse bei sich.
Von »Carne vale« und Fleischverzicht also keine Spur ...

3
Privatvorstellung der Passion

Im Pestjahr 1633 fielen im kleinen oberbayerischen Dörflein Oberammergau 84 Einwohner der verheerenden Seuche zum Opfer. Daraufhin gelobten Jung und Alt feierlich, bei Befreiung  von der tödlichen Epidemie regelmäßig ein vielstündiges Passionsspiel aufzuführen. Es sollte die letzten fünf Tage im Leben Jesu bis zu seinem Opfertod am Kreuz nachzeichnen, also die biblische Geschichte bis Karfreitag. Mit dem Moment des Gelübdes wurde tatsächlich ab 1634 kein Pesttoter mehr in Oberammergau verzeichnet und das Passionsspiel alle 10 Jahre wiederholt. Hunderte von Mitgliedern der Gemeinde, vom Kind bis zum Greis, stehen bis heute Jahrzehnt für Jahrzehnt auf der Bühne des eigens errichteten Festspielhauses, unterziehen sich für eine überzeugende Erscheinung dem »Haar- und Barterlass«, der das Schneiden der Haare ab Aschermittwoch des vorangegangen Jahres verbietet, und proben in historischen Kutten ihren umfangreichen Text mit der einen zentralen Botschaft Jesu: dem Aufruf zur Nächstenliebe.

1850 macht sich auch Königin Marie von Bayern auf den Weg zu den Festspielen nach Oberammergau, ebenso wie die 12-jährige Prinzessin Elisabeth, Sisi, bald Kaiserin von Österreich. 20 Jahre später sitzt selbst ihr Großcousin, Ludwig II., im weitläufigen, jedoch leeren Zuschauerraum. Am 25. September 1871, acht Monate nachdem in Versailles das deutsche Kaiserreich ausgerufen worden ist und Bayern seine Eigenständigkeit verloren hat, besucht der bayerische König als enttäuschter Herrscher die wohl weltweit berühmtesten Passionsspiele. Am Fuße der Ammergauer Alpen genießt er das vielstündige Treiben in einer Separatvorstellung. Wo sich sonst Tausende Besucher drängen, sitzen außer ihm nur vier Begleiter. Doch die Botschaft des Stücks erreicht den ergriffenen Monarchen: Demut, Nächstenliebe und die Sorge für das Wohl anderer: »In anderer Glück sein eigenes finden, Ist dieses Lebens Seligkeit; Und anderer Menschen Wohlfahrt gründen, schafft göttliche Zufriedenheit!«, notierte er einst.

Auch ist der König von dem Laienspiel der Leidensgeschichte Jesu derart gerührt und erschüttert, dass er der Gemeinde Oberammergau zur bleibenden Erinnerung eine monumentale, 12 Meter hohe Kreuzigungsgruppe stiftet. Er selbst bestimmt Material, Künstler und Standort:

Aus Kelheimer Marmor, aufgestellt auf dem Osterbichl, ist es damals mit seinen 116 Tonnen Gewicht das größte Steindenkmal der Welt. Jahr für Jahr kommt der König nun zum stillen Gebet dorthin, bis ihn die immer größer werdende Zahl an Neugierigen vertreibt.

Und auch Sisi bleibt wohl nicht unbeeindruckt von der biblischen Geschichte rund um den Opfertod Jesu. 25 Jahre verbringt sie als Kaiserin jeden Sommer in ihrer Heimat am Starnberger See. Der Kalvarienberg in Feldafing, der die Stationen des Kreuzwegs Christi abbildet, soll einer ihrer Lieblingsplätze gewesen sein. Sie unterstützt ihn mit einer Stiftung und wann immer sie Gelegenheit hat, reitet sie zu der dortigen Kreuzigungsgruppe hinauf, von der sich nach Südosten das eindrucksvolle Bergpanorama bis ins Wettersteingebirge eröffnet. 

4
Gründonnerstag

Das königliche Füßewaschen

»Nicht wa[h]r das ist ein seliges Gefühl, mit Christus vereint zu sein?«, schreibt der junge Ludwig an seinen Cousin zu dessen Konfirmation. Wie alle Mitglieder des bayerisch-Wittelsbacher Herrscherhauses ist auch Ludwig streng katholisch erzogen und tief im Glauben verwurzelt und so werden alle kirchlichen Festtage, gerade Ostern, am Hofe ausgiebig gefeiert. Im Jahr 1863, im Alter von 17 Jahren, notiert der zukünftige bayerische König an seine einstige Kinderfrau: »Nun naht wieder die Charwoche [also die letzte Woche vor Ostern], die ich von jeher sehr liebe. Am Grünen Donnerstag werden wir um 1/2 8 Uhr unsere Andacht machen.«

Am Gründonnerstag gedenken die Christen des letzten Abendmahls, das Jesus mit seinen zwölf Aposteln am Vorabend seines Todes einnahm. Anschließend wurde er am Karfreitag auf dem Ölberg von Judas verraten, an seine Verfolger ausgeliefert und schließlich auf dem Berg Golgatha, was da heißt »Schädelstätte«, gekreuzigt.

Als Tag der Trauer mag sich der Name »Gründonnerstag« von der altdeutschen Bezeichnung »greinen« für »weinen« ableiten und tatsächlich ist es der letzte Tag, an dem in der Kirche nach dem laut schallenden »Gloria« fröhlich alle Glocken läuten – anschließend schweigen sie zum Gedenken an Leid und Tod Christi bis zum Auferstehungsgottesdienst am Ostersonntag. Früher erzählte man den Kindern, die Glocken »flögen nach Rom«, um eben am Ostersonntag mit der frohen Auferstehungsbotschaft zurückzukehren. Währenddessen saßen die Kleinen vor ihren Schüsseln und löffelten »grüne Suppe« aus magerem Gemüse. Immerhin hatte diese die Farbe der Hoffnung, und der Osterhase mit fröhlichem Bunt war nicht mehr weit.
In der Kirche verfolgten die Kinder während der Messe mit großen Augen den Priester, der symbolisch für die zwölf Apostel zwölf alten Männern die Füße wusch, wie es einst Jesus vor dem letzten gemeinsamen Mahl bei seinen Jüngern getan hatte.

Im Hause der bayerischen Fürsten, aber auch bei den Habsburgern und der Kaiserin in Wien, wird diese Aufgabe traditionell vom Regenten übernommen. In einer feierlichen Zeremonie in der Allerheiligen-Hofkirche tritt Ludwig in festlicher Uniform, begleitet von Familienmitgliedern, Pagen in feiner Livrée und Geistlichen in langer Robe vor die Reihe der 12 ältesten und würdigsten armen Männer des Landes, die auf Staatskosten in ein schwarzes Apostelgewand gekleidet wurden und bereits ihre Füße entblößt haben. Würdevoll kniet der König nieder und lässt Wasser aus einer wertvollen Kanne über deren knorrige Zehen fließen, trocknet sie mit einem einfachen Leintuch ab und hängt ihnen einen ledernen Zugbeutel mit einem Geldgeschenk um. Anschließend werden die Männer mit grüner Suppe, Hecht und Spinat, einer Mehlspeise und Wein verköstigt, während sie der König persönlich bedient.
Wie einst Jesus will auch er ein Beispiel geben, dass er demütig zum Dienen an seinem Volk und anderen bereit ist – wobei sich Ludwig an dieser Stelle gerne und oft vertreten lässt.

Lautes Ratschen tönt in den folgenden Tagen durch die Kirchen, um anstelle der weggeflogenen hell läutenden Glocken zu Gebet und Gottesdienst zu rufen.

5
Ludwig als Bauherr des Heiligen Grabes

In weiten Teilen Bayerns läuten am Karfreitag um 15 Uhr alle Glocken zum Gottesdienst – es ist die vermeintliche Todesstunde Christi, an die sie laut schallend erinnern: Zu jener Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land und Jesus sprach am Kreuz die bewegenden Worte: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!« Vor Anbruch der Nacht starb Jesus und noch am selben Abend wurde er nach jüdischem Brauch in ein Tuch gewickelt, in ein Felsengrab gelegt und dieses mit einem schweren Felsen verschlossen. 

Ab diesem Moment schweigen die Glocken im ganzen Land und auch die Orgel bleibt stumm. Kein Blumenschmuck ziert den Altar, still ziehen die Priester in die Kirche ein. In manchen Gotteshäusern wie auch in der Starnberger Unterkirche von St. Maria wird noch heute ein Heiliges Grab errichtet. Es ist eine mystische Kulissenlandschaft, die die Grabeshöhle Christi nachbildet. Fast magisch wirkt die Jesusfigur vor der in Gold schimmernden Rückwand. Immer sind die heiligen Gräber in ein besonderes Licht getaucht. Häufig stehen Kerzen und Öllämpchen hinter verschieden großen Glaskugeln, die mit gefärbtem Wasser gefüllt sind.

In alter Zeit hatten sich verschiedene Gepflogenheiten rund um die Heiligen Gräber entwickelt, Prozessionen, Andachten ...  Am Wiener Kaiserhof gab es unter Leopold I. eine eigene Gattung von Passionsoratorien: opernartige Musikwerke zur Leidensgeschichte. Wolfgang Amadeus Mozart komponierte verschiedene solche »Grabesmusiken« und Familie Mozart besuchte in Salzburg am Karfreitag und Samstag mehrere Heilige Gräber wie in einer kleinen privaten Wallfahrt.

So handhabt es auch König Ludwig. Am Karfreitagnachmittag wird auch am bayerischen Hof die [...] Messe gefeiert, und es werden Heilige Gräber in München besucht, was besonders für die Kinder faszinierend ist. Gerade Ludwig hat eine Vorliebe dafür. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen vor Ostern ist es, selbst ein Heiliges Grab, mit allem drum und dran, zu bauen, etwa mit mit farbigem Wasser gefüllten, beleuchteten Glaskugeln.

Blau ist dabei seine Lieblingsfarbe, in die er später auch sein Schlafzimmer in Schloss Herrenchiemsee oder die künstliche Grotte in Schloss Linderhof tauchen lässt, ebenso mystisch wie bezaubernd.

In Starnberg halten häufig Menschen in stiller Andacht vor dem Heiligen Grab inne. Und mit dieser Stille setzen sie ein Zeichen: Es ist ein letzter Verzicht nach den Entbehrungen der Fastenzeit, ein Hoffen, als wichtigste Botschaft der christlichen Kirche. Denn am dritten Tag, so heißt es, ist Gottes Sohn auferstanden, nachdem er am Kreuz freiwillig die Sünde und Schuld aller Menschen auf sich genommen hat und sein Blut für uns vergossen hat. Erst durch seinen Tod würden allen Menschen die Sünden vergeben, erst sein Opfer ermögliche die Auferstehung von den Toten und ewiges Leben. So die österliche Botschaft für den glaubenden Christen – ob´s wahr ist? In unserer letzten Stunde wird es uns offenbar. 

6
Das Georgsritterfest

Der 23. April, zumeist in der Woche nach Ostern, ist der Gedenktag des legendären hl. Georg. Dessen wohl berühmteste Tat war der siegreiche Kampf gegen einen bösen Drachen, der von der Bevölkerung das regelmäßige Opfer einer schönen Jungfrau forderte. Es bedurfte schon eines heldenhaften Ritters und Streiters für den christlichen Glauben, um den Kampf mit dieser gefährlichen Bestie auf sich zu nehmen. Nachdem nun Georg den Drachen mit wüsten Schwerthieben verletzt hatte, führte die zunächst dem Opfertod geweihte jungfräuliche Königstochter die Bestie zahm in die Stadt. König und Volk, schwer beeindruckt, so die Legende, folgten der Aufforderung des christlichen Ritters und ließen sich im Handumdrehen taufen. Der Drache wurde kurzum erschlagen und das Land vom Bösen befreit.

Kein Wunder, dass ein solch kühner Held wie der hl. Georg bald Vorbild wurde für manch weiteren christlichen Ritter – und das bis zum jetzigen Tag!
Denn noch heute treffen sich im April die Ritter des bayerischen Hausordens vom Heiligen Georg in der Münchner Residenz. Der wohl bekannteste Orden des bayerischen Herrscherhauses der Wittelsbacher wurde bereits während der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert gegründet und die ihm angehörenden Ritter mussten sich in ihrem feierlichen Gelöbnis zur Verteidigung des christkatholischen Glaubens und der unbefleckten Empfängnis Mariens verpflichten.

1871, unter König Ludwig II., werden die Ziele des Ordens dann dem Geist der Zeit angepasst. Zweck sind fortan Werke der Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Beim damaligen Georgifest beschließt Ludwig umgehend die Errichtung zweier Krankenhäuser, während er am St. Georgstag 1880 seinen Cousin Ludwig Ferdinand von Bayern und dessen Bruder »zu Großkomturen des Ordens«, also zu Rittern, schlägt.

Grundsätzlich muss jeder Georgsritter eine Reihe von acht väterlichen und acht mütterlichen adeligen Ahnen nachweisen. Es handelt sich also um die Elite des Erbadels, als der feierliche Ritterzug im Jahr 1880 durch die Korridore des Stadtschlosses in die Hofkapelle führt, voraus Fürst Fugger mit dem Schwert, zwischen Hartschieren in Galauniform. Unter einem Baldachin greift König Ludwig sodann in seinem wertvollen Ornat mit dem blauen, von Hermelin umsäumten Mantel feierlich zum rubingeschmückten Schwert. Dieses stammt aus dem einstigen Besitz Herzog Christophs des Starken, der nach einem kampferfüllten Leben auf der Rückreise seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land gestorben war. Mit großer Würde senkt es der König als Großmeister des  Ordens zu seinem allerletzten Ritterschlag. Bereits 1867 hat er nach der Zeremonie tief ergriffen in sein Tagebuch notiert: »...glückliches Traumbild, ..., o herrliche Zeit des wahren, echten Rittertums, gepriesenes gotterfülltes Mittelalter!«

Auf dem Lande gehen die Bauern an Georgi derweil der warmen Jahreszeit entgegen. Das Gras wächst hoch, die Weidewirtschaft beginnt, das Vieh wird auf die Alm getrieben. Hie und da finden Georgiritte statt. Festlich geschmückte Pferde und Wagen ziehen dabei um die Georgskirchen, so auch in Schäftlarn. Zum Klang der Glocken klappern die Hufe der Pferde auf der Starnberger Straße. Die Männer ziehen ihre Hüte, die Frauen bekreuzigen sich. Nach dem Gottesdienst werden Pferd und Reiter erst mit Weihwasser, dann mit Weihrauch gesegnet. Die Blasmusik hebt zur bayerischen Nationalhymne an.

7
Fronleichnam

Heilige Hostie, Visionen und Wahn 

Die kirchliche Osterzeit endet offiziell erst nach 50 Tagen, an Pfingsten. Hier wird an die Entsendung des Heiligen Geistes durch den auferstandenen Jesus erinnert.  In der Bibel heißt es, »vom Himmel her kam ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, … und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer«. Diese Erscheinung symbolisierte die bleibende Gegenwart Christi auf Erden.

Die Pfingstfeiertage waren zugleich die letzten Feiertage im bäuerlichen Kalender, an denen sich einst so gut wie das gesamte Dorf in der Kirche versammelte. Ab diesem Zeitpunkt musste alle Energie in die Pflege der Felder und dann in die Erntearbeit gesteckt werden. Ausnahme bildet noch die Fronleichnamsprozession am 60. Tag nach dem Ostersonntag. Hier folgen die Gläubigen der vom Priester unter einem ehrwürdigen Baldachin getragenen Monstranz, dem kostbar geschmückten Schaugefäß mit der geweihten Hostie, Symbol für den Leib Christi. In einem prächtigen Festzug zieht die Gemeinde unter Gebet und Gesang durch die Straßen.

Auch Ludwig nimmt immer mit besonderer Freude an diesen staatstragenden feierlichen Umzügen teil. In seinem ersten Tagebuch schreibt er am 3. Juni 1858: »Dieß Jahr war [Fronleichnam] wundervoll. Morgens war keine Wolke sichtbar. [...] um 8 Uhr sahen wir die Prozession. [...] Nach Tisch fuhren wir mit der Mutter [...] nach Grünwald und goutierten in Großhesselohe. Wir kamen Abends beim Gebetsläuten nach Hause. Gelungener hätte man sich keinen Fronleichnamstag denken können.«  

Anlass für dieses Fest zu Ehren des »Leibs des Herrn« – nichts anderes bedeutet Fronleichnam – lieferte die Ordensfrau Juliana von Cornillon im 13. Jh. Sie hatte Visionen und empfing göttliche Hinweise, dass im christlichen Festkreis noch ein Gedenktag zu Ehren der »heiligen Hostie« fehle, woraufhin der Feiertag Fronleichnam eingerichtet wurde.

Religiöse Offenbarungen, aber auch  bizarre Visionen waren von Grund auf mit diesem Feiertag verbunden – nicht zuletzt durch den befremdlichen Auftritt von Ludwigs jüngerem Bruder Otto während der Fronleichnamsmesse 1875.

Bereits als fünfjähriger Bub soll Otto Stimmen gehört haben, die ihm Aufträge erteilten. Mit sieben Jahren unterliegt er einem Waschzwang. Auch sonst benimmt er sich als Kind merkwürdig, wenn er auf allen Vieren kriecht und dabei wie ein Hund bellt. Im Verlauf einer geselligen Teestunde fühlt sich Otto offenbar beleidigt, woraufhin er eine nicht anwesende dritte Person zum Duell fordert. Um ihn zur Besinnung zu bringen, schickt man Otto später kurzerhand auf eine große Reise bis ins Heilige Land, wo er sich eine mysteriöse fieberhafte Erkrankung zuzieht, die ihn in Bethlehem und Jerusalem für Tage ans Bett fesselt. Bald treffen die Leiter der Kreisirrenanstalt ihre Diagnose: krankhafte Reizbarkeit des Gehirns, heute als paranoide Schizophrenie bezeichnet, die sich in Halluzinationen und religiösen Wahnvorstellungen äußert.

So eben auch am Fronleichnamstag 1875. Die Münchner Frauenkirche, der Dom, ist gut gefüllt und der Gottesdienst hat bereits begonnen, als ein junger Mann, sehr schlicht gekleidet, sich zu den Stufen des Hochaltars drängt, dort auf die Knie fällt und laut vernehmlich Gott um Verzeihung seiner Schuld anfleht. Der Zeremonienmeister erkennt in der auffälligen Person seine Kgl. Hoheit Prinz Otto und führt den verwirrten Prinzen in einen Nebenraum, in die Sakristei. Um weitere Skandale zu vermeiden, wird Otto bis zu seinem Tod 1916, den er geistig völlig umnachtet erlebt, über 40 Jahre zunächst in Nymphenburg, später in Schloss Fürstenried komplett von der Öffentlichkeit isoliert, weggesperrt.

Und auch bei seinem Bruder Ludwig wird mit zunehmendem Alter eine schizoide geistige Störung beobachtet. Diese führt zur Erklärung seiner Regierungsunfähigkeit und Unterbringung in Schloss Berg im Alter von 40 Jahren. Am 13. Juni 1886 kommt er von einem Spaziergang mit seinem betreuenden Psychiater nicht mehr zurück. Arzt und König werden tot im Starnberger See aufgefunden.

Ludwigs Todestag fiel auf das offizielle Ende der Osterzeit, den Pfingstsonntag 1886. Wiederauferstanden ist König Ludwig ebenso wie seine Großcousine Kaiserin Elisabeth bisher allerdings lediglich in der Erinnerung der Menschen, die sie mit würdigem Gedenken auf ihre Weise unsterblich machen.

8
Eiersuche mit Prinzen und Prinzessinnen

Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei? 

Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.

Huhn oder Ei? Diese immerwährende Frage hat der Dichter Eduard Mörike ganz klar gelöst: Es waren zuerst die Hasen, die – zumindest an Ostern – die Eier, und zwar die bunten, brachten. Die Hühner kamen dann später, für die weiße und braune Variante. Volkskundler haben zum Thema Ei und Ostern natürlich andere, weniger poetische Vermutungen.

So galt das Ei einst als »flüssig Fleisch« und damit sein Verzehr in der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern als Sünde. Die Hühner, frei von christlichen Werten, legten munter weiter und die Eierberge türmten sich. Um sie haltbarer zu machen, wurden die Eier ab Aschermittwoch gekocht und zur Unterscheidung bunt eingefärbt. Auch konnte ein christlicher Segen nach langer Lagerung zum Schutz gegen Lebensmittelvergiftung nicht schaden und so beteten bald die Priester in der Ostermesse: »Segne Herr, wir bitten dich, diese Eier, die du geschaffen hast ...«

Neben der Hauptrolle im Osterfrühstück verkörpert das Ei aber auch die Auferstehung Jesu von den Toten aus der steinernen Grabeshöhle, wenn unter dem brütenden Huhn aus der vermeintlich toten Schale neues Leben erwacht: »Gleich einem Ei springt das Grab auf«, notierte ein spätantiker Kirchenlehrer. Kein Wunder also, dass die zunächst vorherrschende Farbe beim Eierfärben dunkles Rot war, wie das Blut, das »Christus am Kreuz für uns vergossen hat«.

Natürlich gehören bunte Eier und deren Suche ebenso wie Schokohasen auch zum Osterfest im königlichen Hause, parallel zur sogenannten »Gewissenserforschung«, eine fromme Übung, bei der andächtig die Führung des eigenen Lebens überdacht wird.

Ludwigs Cousin, Prinz Leopold, notiert in seinen Lebenserinnerungen: »Wie schön war dann das liebe Osterfest: schon zum ersten Frühstück das Geweihte, das nach alter Sitte alle Hausgenossen erhielten – Lamm, Kalb, Zunge, Schinken, Eier, dazu der eigene Osterkuchen [...]. Dann das Eiersuchen: für jeden von uns ein eigenes Nest mit einem schokoladenüberzogenen Biskuithasen, mit Eiern und anderen guten Sachen und einem kleinen Geschenk. Jeder bekam vorher einen farbigen Papierstreifen, mit einem gleichfarbigen war das für ihn bestimmte, versteckte Osternest geziert. Welche Freude, wenn man es endlich fand! An dieser schönen Sitte hat Papa bis an sein Lebensende festgehalten; noch als weißhaarige Männer haben wir zusammen mit Kindern und Enkelkindern unser Nest gesucht.«

9
Der Osterspaziergang

Hier bin ich Mensch!

»Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, ...«

Mit diesen Zeilen beginnt Goethe den berühmten Osterspaziergang im 1. Teil seines Faust  – und womöglich zitierte die belesene Kaiserin Elisabeth, in deren Bücherregal neben Shakespeare und Shelley auch Goethe stand, diese Zeilen, wenn sie sich wie so häufig auch im Frühjahr auf ihre ausgedehnten Wanderungen begab.

Der traditionelle Familienspaziergang am Ostermontag hat seine christlichen Wurzeln im Lukasevangelium, das von zwei Jüngern Jesu berichtet, die am Tag nach der Kreuzigung niedergeschlagen in das nahe Jerusalem gelegene Emmaus wanderten. Auf dem Weg begegnete ihnen ein Unbekannter und erklärte ihnen Grund und Sinn des Todesopfers Christi. Erst später – der Fremde war längst verschwunden – wurde ihnen klar, dass der mysteriöse Unbekannte der Auferstandene selbst gewesen war.

Tja, mit Sisi wäre ein solches Gespräch bei einem Spaziergang wohl kaum möglich gewesen – ihr Tempo ist schlicht zu hoch und die Strecken zu ausgedehnt für gleichzeitige Plaudereien. Sisi geht nicht, sie rennt! Höhepunkte ihrer Laufleistungen sind  zum Beispiel die 30 km lange Strecke von München nach Feldafing, die sie im Alter von 46 Jahren in knapp sieben Stunden bezwingt. Selbst bei Regen kann man sie mit steifem Filzhut und festen Lederstiefeln sowie einem großen Lederfächer vor dem Gesicht umherspazieren sehen, während ihr atemlose Hofdamen nachrennen. Bei ihrem Besuch in Kairo heißt es, dass die »pedestrische Leistungsfähigkeit Ihrer Majestät eine so bewundernswürdige« sei, dass die Geheimpolizei es als unmöglich erklärt, »der Allerhöchsten Frau anders als zu Wagen zu folgen.«

Dem körperlich eingeschränkten griechischen Gelehrten, der sich als Vorleser und Begleiter bei ihr bewirbt, wird zunächst mit der Begründung abgeraten, Elisabeth suche gewiss einen olympischen Läufer, und auch für die Stelle als weibliche »Promeneuse«, also Spazierbegleitung der Kaiserin, hält man nach jungen, kräftigen und leistungsfähigen Hofdamen Ausschau. Die Kaiserin kennt weder Ruhe noch Rast – und dazu ist auch ihr Hofstaat gezwungen. Dies natürlich nicht ohne Grund: Bewegliche Ziele sind schwer zu treffen! – und nachdem Sisi ständig in Bewegung ist, ist sie körperlich wie seelisch schwer erreichbar. Wer etwas von ihr will, muss ihr im wahrsten Sinne des Wortes hinterherlaufen – eine demütigende Position!

Ob Regen, Wind oder Sturm, ob Weihnachten oder Ostern, ihre Unruhe treibt sie in die Natur, dorthin, wo sie sich – wie auch ihr Cousin Ludwig – am wohlsten fühlt. »nichts ist stärker für Geist u. Körper als viel in Gottes freier Natur sich zu bewegen; dort [...] ist die Seele dem Schöpfer näher«, schreibt er seiner Kinderfrau und macht wann immer möglich Ausflüge aufs Land und in die Berge. Frei von höfischen Zwängen empfinden beide in der Freiheit der Natur wohl ähnlich wie Goethes Faust, wenn dieser am Ende seines Monologs frohlockt: 

»Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.«

Text und Konzept: Dr. Claudia Wagner
Musik, Ton und Technik: Michael Gottfried
Sprecherin: Karin Kaschub
Sprecher: Philipp Moog

Die zugrundeliegende Literatur kann hier eingesehen werden.